Nachruf Lehrer Rennar
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Nachruf auf unseren Heimatlehrer Peter Rennar
1937 - 2018
Aufrecht und kompromislos seinen Weg gegangen.
Die HOG Saderlach verabschiedete sich vor einigen Tagen von Peter Rennar, einem Pädagogen der in unserer Heimatgemeinde ganze Generationen geprägt hat. Ein Mensch wie du und ich der Nachkriegsgeneration, der sich aber niemals willenlos dem Lauf der Dinge unterwarf, der sich stets gegen die tumbe Macht stemmte. Er wollte stets gestalten, seinen eigenen Weg durchs Leben gehen, auch in dieser Welt die scheinbar aus den Fugen geraten war. Peter Rennar erblickte das Licht der Welt am 4. November 1937 in Großsanktnikolaus, und wuchs in wohlbehütetem bürgerlichen Hausstand auf. Sein Vater besaß eine gutgehende Schreinerei mit eigener Werkstatt, die Familie war eingebettet in das deutsche soziale Leben der Kleinstadt. Gegen Ende des Krieges, als die Russen nahten, floh die Mutter mit seiner Schwester und dem Kleinkind nach Österreich wo sie kurzzeitig in Strengberg lebten. 1945 kehrte die Familie zurück, doch es gab für sie kein Zuhause mehr, ihr Haus war von den Kommunisten besetzt. Der Vater wurde unmittelbar darauf verhaftet und war für längere Zeit unerreichbar. Enteignet und aus dem Haus gejagt lebten sie bei Verwandten in äußerst beengten Verhältnissen. Im Spätsommer 1952 entfloh der Jugendliche dem schier unerträglichen Umfeld, fuhr nach Temeswar um sich in der Pädagogischen Lehranstalt zu melden. Doch Prof. Binder musste ihn mit großem Bedauern wegschicken, denn ein „Ausbeuter“-Kind konnte nicht zur Aufnahmeprüfung zugelassen werden. So versuchte er sein Glück an der Technischen Mittelschule für Elektrotechnik. Mit geschrumpftem Selbstbewusstsein begann er sein Studium, wohl wissend das dies allen seinen Neigungen widersprach. Am Rande der Verzweiflung, kam es zu einem vertraulichen Gespräch mit Frau Margarete Potenz, Lehrerin für Russisch auch an der Pädagogischen (war von 1945-48 in sowjetischen Arbeitslagern), und die versprach ihm, sich für seinen Wechsel in die Pädagogische Lehranstalt einzusetzen. Dies gelang dann auch, er kam aber nicht mit seinem 57-Jahrgang zum Abschluss. Denn der ungarische Aufstand von 1956 kam dazwischen. Im Internat war Rennar schon längst aufgefallen, war stets dabei wenn es um was ging. Der schlaksige, hochgewachsene Jugendliche war schon durch sein exotisch- „französisches“ Aussehen auffallend genug, geschweige denn durch seine Gestik und seine schier unverwechselbare Mimik. Nach einem Kinobesuch zog die Jugendschaar singend durch die Stadt, mit Rufen nach „Freiheit“ und „Gerechtigkeit“. Und dies, während an der Universität die Internats Gebäude umstellt waren. Bevor er noch zu Direktor Fridolin Klein gerufen werden konnte, überzeugte ihn die Sekretärin Frau Lang, schnellstens zu verschwinden. Krank geschrieben fuhr er heim, bis sich die Szene wieder beruhigte. Seine Lehramtsprüfung konnte er erst mit Jahrgang 1958 ablegen, doch erweiterte dies auch seinen wachsenden Freundeskreis. Es folgte, nach einem zwei monatigem Lehrerdasein in Großscham, der verpflichtende Militärdienst:   14 Monate als Arbeitssoldat. Dies war der nächste Tropfen auf den heißen Stein. Hier traf er auf die Brüder Müller aus Marienfeld (der Dicke und der Lange). Die von ihnen in der Kaserne gegründete (deutsche) Militärkapelle war legendär, sie spielten bei jedem offiziellen oder privatem Fest bekannte Schlager, Volkslieder (und auch) Märsche. Unsere Kindheit und Jugend war geprägt von ständigem Unrecht dem unsere Familien ausgesetzt waren. Die mittlere, gestaltende Generation war verbraucht und zerschlagen, die ältere wehrlos und schwach. Die Kinder zu klein um sich zu wehren. Die sogenannte Neubesiedlung mit rumänischen Kolonisten ab 1946 führte zu unzähligen Zwistigkeiten, die den Alltag beinahe unerträglich machten. Saderlach hatte noch Glück, denn bis zur Schulreform von 1948 hatten wir die Schwestern des „Notre-Dame-Ordens“ im Kindergarten und in der Grundschule, von Pfarrer Pintér und Sr. Avellin (Wagner) gebracht, es wurde noch deutsch gesprochen. Doch ab der Allgemeinschule (Scoala generalä) von 1950 an nur noch rumänische Unterrichtssprache. Die Grundschule blieb deutsch auch unter den Lehrern Andreas Eisele, Hans Eisele und Anton Steger (1953-62). Viele deutsche Schüler gingen ab der 5. Klasse nach Deutsch-Sanktpeter in die weiterführende deutsche Sektion mit Internat. Unübersehbar war das Bemühen der neuen Machthaber, die Individualität des einzelnen Menschen auszulöschen. Das Zusammenschmelzen zur grauen, manipulierbaren Masse war lange oberstes Ziel. Als die kollektivierte Wirtschaft immer mehr stagnierte, erinnerte man sich plötzlich der arbeitswütigen Deutschen (Minderheit) und lockerte die Zügel. Es kamen frischgebackene Junglehrer/innen auch in Saderlach an. Zunächst Frau Gertrude Maurer als Kindergärtnerin, zwei Jahre später Peter Rennar als Kulturhaus Direktor und Aushilfslehrer (und Ehemann). Damit veränderte sich auch das Saderlacher Erscheinungsbild. Der Zusammenbruch nach dem Krieg und die darauf folgende Zerschlagung der Volksgemeinschaft durch die Rußland -Verschleppung, sowie die Enteignung und später die Kollektivisierung der Landwirtschaft hinterließen ein dumpfes Ohnmachtsgefühl. Willenlos geduckt, versuchte man zu überleben. Und plötzlich wurde man wachgerüttelt, zum Mittun aufgefordert. Wie aus einem Tiefschlaf erwacht, brach es in den sechziger Jahren aus ihnen heraus. Saderlach hatte plötzlich wieder ein blühendes kulturelles Leben. Rennar überzeugte den braven Kapellmeister Franz Muck zur Gründung einer Musikapelle, führte das Singspiel „Die Werbung“ auf. 1967 folgte die erste große nachkriegs-„Chilbi“ (Kirchweih)-Fest. Alle gewohnten, alten Traditionen brechend hat er die Paare einfach nach der Größe sortiert, dies wurde ohne Murren und Widerrede akzeptiert, auch wenn er dabei so manche stille Träume und geheime Wünsche unerfüllt ließ. Längst eingemottete Trachtenkleider wurden hervorgeholt und wieder öffentlich getragen. Die stolzen Kirchweihpaare standen während des Gottesdienstes mitten in der Kirche, der Festzug zog mitten durch das inzwischen „rumänisch“ bevölkerte ehemalige deutsche Dorf Saderlach und es gab danach keinerlei Ärger mit der Partei. Man musste eben nur Mut dazu haben. Wagemutig war Rennar auch beim nächsten Schritt. Als der berühmte Volkskundler Prof. Johannes Künzig 1968 an einer Tagung in Temeswar teilnahm, zeigte er im Kulturheim die berühmten Stumm Filme (16mm S/W) die bei der 200-Jahrfeier Saderlachs aufgenommen wurden. „Für einige Stunden hob sich der Vorhang der Geschichte, man erkannte plötzlich die nie gesehenen Mütter und Väter“, erkannte sie am Gang und an ihrem typischen Auftreten wie man es oft erzählt bekommen hatte. Der Andrang im Saal war so groß, dass Rennar einfach die Türen öffnen ließ und die Filme an die Wand projektierte. Historisches Volkstum-Dokument,ce mai vrei? Auch dies wurde widerwillig und hilflos akzeptiert. Darauf folgte das berühmte Trachtenfest mit achtzig Paaren, die Jüngsten waren drei, die Ältesten über siebzig Jahre alt. Jetzt marschierten die Schüler mit ihren Eltern und Großeltern, über 400 Teilnehmer waren dabei, das halbe Dorf war angetreten. Der verbliebene Rest waren kleinmütige Zuschauer und unsere staunenden neuen Mitbürger. Man ahnte es damals, wollte es aber nicht wahr haben, dass dies die Abschieds Vorstellung der ehemaligen deutschen Lebensgemeinschaft unserer Heimatgemeinde sein wird. Denn die Menschen spürten schon die aufkeimende Sehnsucht nach dem fernen Mutterland. Es ging nur noch um die Fragen: wann, wie und ob überhaupt. In dieser Stimmungslage erhielt Peter Rennar einen Besucher-Pass für die Reise zur Olympiade nach München. Damals für alle unerklärlich, heute wissen wir mehr: die Masse wird gefügig, wenn sie ohne geistige Führungsköpfe zurückbleibt, wenn man sie köpft.   Da mir gleichfalls in diesem Spätherbst die Flucht über Belgrad gelang, gemeinsam mit Hans Bäcker aus Hatzfeld, sahen wir uns wieder in Nürnberg. Als Lehrer-Triumvirat bezogen wir das ÜWoH Ingolstadt und unternahmen die ersten Schritte in der ersehnten Wahlheimat, stets gemeinsam. Ab Januar 1973 begannen wir unsere Lehr-Tätigkeit, Bäcker und ich in München, Rennar in Freising. Rennar kämpfte sich mühsam durch die Mühlen der Schulbürokratie, wurde immer wieder durch unangemeldete Schulrats Besuche irritiert, verlor irgendwann seine Ideale und resignierte. Aber er war ja auch stets provozierend. Bei einer CSU-Wahlveranstaltung in Freising ergriff er das Wort, auf offener Bühne (vor dem Volke!), zum Thema Lehrermangel: „ Ich kann euch in 3 Tagen 10 Lehrer bringen, die auf ihre Anerkennung warten!“, Goethe und Schiller zitierend. Dies brachte den Ministerialdirigenten schon in arge Bedrängnis. Er war euphorisch, bekannte später dass sein Halbjahr 1973 in Freising „die schönste Zeit seines Lehrerdaseins in Deutschland“ war. Im nächsten Schuljahr kam er allerdings zur Mobilen Reserve (Ihre Frau wird ja bald kommen!). Als er vier Monate nach Beginn des Schuljahres von Baar nach Manching versetzt wurde, streikten die Kinder seiner 4. Klasse und die Eltern gingen ins Schulamt um ihn zurückzuholen. Er hatte damit nichts zu tun, erfuhr es durch die Presse, aber es blieb an ihm haften (in Bayern!). Nachdem unsere Frauen durch eine Freikaufaktion, abgeschlossen in der rumänischen Botschaft, folgen durften, begann die Familie Rennar den Neuanfang in Waldkraiburg.   Sie waren beide geborene Lehrer. Trude hatte ihre braven Grundschüler, er aber wurde in den oberen Hauptschulklassen ins Feuer geschickt. Die gestörte Haltung der Schüler entnervte Ihn zusehends, kleinere sportliche Unternehmungen in der Freizeit wurden selbst von Kollegen mit Argwohn beäugt. Man kann doch nicht seine Freizeit in der Schule verbringen, wo käme man hin? Sie wurden wieder häuslich und konzentrierten sich auf das Familienleben. Ihre beiden Söhne haben Ihnen viel Freude bereitet. Reinhard der Musiker beschenkte sie mit Tochter Sophie, die Doktoren   Harald und Marianne mit einem Reigen von vier Enkelkindern: Clara, Balthasar, Nepomuk und Nikolaus. So kann man verstehen, dass man sich mehr und mehr ins Private zurück- zog, ohne jedoch ganz zu verstummen. Die Rennars waren bei der Gründung der HOG Saderlach dabei, wie auch bei der 250- Jahrfeier in Schluchsee 1987. Auch später kamen sie regelmäßig zu den Heimattreffen, doch ohne abermals eine Führungsrolle zu übernehmen. Lediglich beim Denkmal in Görwihl 2007 erlag Pedi der Versuchung und betrat nochmals die Bühne. Er wurde erneut der bewunderte Star seiner Schüler, die inzwischen längst gestandene Frauen und Männer waren, und ihn frenetisch feierten. Er führte aber weiterhin seine Freundeskreise, stachelte stets zu neuen Reisen und Taten an. Ob Fasching oder Skifahren, wir gingen immer in Gruppen. Wir haben gemeinsam Länder und Kontinente bereist, so wie wir es uns an den Ufern der Marosch dereinst erträumt hatten. Leider neigte sich auch diese etwas ruhigere Lebensphase alsbald dem Ende zu. Trude Rennar erlag 2013 ihrem schweren Leiden, es war ein langer, bitterer Abschied von der Familie. Etwas erholt, versuchte es Peter Rennar weiter zu leben, in liebevoller Begleitung mit Maria Späth aus Saderlach. Es wurde leider nur eine kurze Zeit der Einfahrt in den Hafen der Ewigkeit. Nach einem Sturz am Dreikönigstag versagten seine geistigen Kräfte zunehmend und er bedurfte der Pflege. Am 31. August hat derHerr ihn abberufen. Ich habe an seinem Grabe im Namen der HOG Saderlach gesprochen - auch die Landsmannschaft der Banater Schwaben war mit einer Fahnenabordnung anwesend – hab ihm für das was er für unsere Gemeinschaft geleistet hat gedankt. Er war zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort, aber er hat auch seine ihm angeborenen Fähigkeiten genutzt, und der jungen Generation gezeigt, wie man aufrecht und kompromisslos seinen Weg gehen kann. Sein Wirken in Saderlach wird noch lange in den Seelen der Menschen die ihm begegnet sind nachhallen. Johann Burger, Ehrenvorsitzender der HOG Saderlach Dieser Artikel erschien auch in der “Banater Post”, Nr. 19 vom 05. Oktober 2018, Seite 11
Als Du fielest, Vom Sturme gefällt ein Baum, Ward Dir Vieles Im Leben fortan wie Traum. Das Gestern- im Schlafe verloren, das Heute- noch gar nicht geboren, Das Morgen- ein Hauch von fernher. Die Deinen- fast weißt Du´s nicht mehr. Die Ziele versunken im Wahn. Zur Reise verbleibet ein Kahn, “Der trägt mich von Allem hinfort, Zu jeglichem, besseren Ort.” Das Wasser des Lebens, Es trägt Dich zur Reise, Zum Ziel Deines Strebens, Zu schließen die Kreise Harald Rennar
Lehrer Rennar inmitten der ersten “Chilbi - Bueba” 1969
Lehrer Peter Rennar (Mitte, etwas verdeckt) mit den Kirchweihpaaren 1969
Die ersten Schulklassen von Lehrer Rennar in Saderlach (3.+4. Klasse)bei der Gartenarbeit, 1961
Saderlacher Grundschule, 3. und 4. Klasse mit Lehrer Peter Rennar, 1961
vorne v. li: Johann Denk, Josef Eisele, Lehrer Peter Rennar, Franz Eisele (91), Franz Schweitzer; zweite Reihe: Maria Angele, Franz Zipfl (204), Rosina Stanciu, Maria Lella, Mathias Schleff, Rosina Kreidl; dritte Reihe: Andreas Winterhalter, Maria Winterhalter, Franz Eisele (307), Mathias Brucker, Maria Frey, Franz Paskolovitsch, Theresia Stritt letzte Reihe: Franz Lindner, Maria Zipfl, Mathias Spanier, Rosina Hemmen, Franz Zipfl (454), Elisabeth Schmalz
Lehrer Rennar und Frau Trude inmitten seiner einstigen Schüler (1999) beim Jahrgangstreffen in Görwihl/Strittmatt
Bilder sind aus dem Fotoarchiv HOG Saderlach