Dr. Gerhardt Weiss
Dr. Gerhardt Weiss zum 80. Geburtstag!
Hausarzt mit Leib uns Seele
Landarzt ist heutzutage kein Traumberuf für angehende Mediziner. Liegt es an der Verpflichtung, für 10 Jahre, in einer
unterversorgten Region zu arbeiten? Oder hat es mit den vielen unterschiedlichen Aufgaben eines Hausarztes zu tun? Er ist doch
die erste Anlaufstelle bei gesundheitlichen Problemen und Patienten besonders nah. Hausbesuche, vor allem bei älteren Menschen,
stehen ebenso auf dem Programm, wie Einsätze im Notfall; bei denen er schnell entscheiden muss was zu tun ist. Bereitschafts-
und Wochenenddienste gehören auch dazu.
Mit diesen Fragen musste sich unser, mittlerweile 80-jähriger Jubilar, nach seinem Medizinstudium, nicht rumschlagen. Für ihn
war schon früh klar, dass er Arzt werden will. Doch der Reihe nach. Gerhardt Weiss wurde, als drittes von vier Kindern, 1941 in
Saderlach geboren. Unbeschwert waren die Kinderjahre, schön die ersten Schulanfänge in der Volksschule, in Saderlach. Schon
früh, ab der 5. Klasse, ging es weg vom beschaulichen Saderlach, nach Temeswar an das Lenau-Lyzeum. Dass seine Geschwister
auch dort waren, erleichterte ihm wesentlich den Einstieg in ein Großstadtleben. Ernst wurde es nach dem Abitur. Dem Wunsch
Medizin zu studieren, stellten sich zweifelhafte Entscheidungsträger entgegen. Die soziale Herkunft, Deutscher und der Vater Arzt,
passte nicht in die Vorstellungen der örtlichen Gremien. Es war denen viel lieber ihm den Umgang mit Hammer und Sichel zu
vermitteln, anstatt mit dem Skalpell. Doch es führt nicht nur ein Weg zum Ziel. Nach Umwegen, über die Sanitätsschule Arad und
Tätigkeiten bei der Post, kam es doch endlich zu der Zulassung zum Medizinstudium, in Temeswar. Es ist doch aufbauend den Titel
eines Dr.med. zu erhalten, als Basis für den Beruf des Hausarztes. Frisch verheiratet trat dann der junge Doktor seine erste
Dienststelle im entlegenen Turnu an. Doch er musste, notbedingt, sein Vokabular mit Worten wie „orvos“, „betegseg“ oder
„fejfajas“ erweitern. Die Geräteausstattung im Dispensar war auch sehr prekär und spartanisch. Doch genau diese Gerätekargheit
hat seinen klinischen Blick geschärft. Auch die Sprachbarriere ist bei der nächsten Dienststelle endgültig überwunden worden. Es
war die Übernahme der Stelle seines verstorbenen Vaters Dr.Josef Weiss, in Saderlach. Die Fußstapfen seines Vaters (er war 39
Jahre Arzt im Ort) waren riesig. Für uns, die Saderlacher, war es aber ein Segen weiterhin einen Dr.Weiss im Ort zu haben. Er war
eben der „junge Doktor“ und so mancher Vergleich mit seinem Vater hat er bravourös gemeistert. Einsatzbereit war er rund um die
Uhr. Unermüdlich hat er die Hausbesuche gemacht, es waren fast 20 täglich. Unvergessen und gewürdigt war sein Einsatz für alle
Menschen, ob Deutsche, Rumänen oder Moldauer. Im Buch „Jein Genossen; Rumäniendeutsche erzählen“ von Hans Fink und
Hans Gehl, sagt Gerhardt Weiss folgendes: „Während meiner Zeit als Arzt verlief das Zusammenleben der Deutschen und
Rumänen friedlich und gutnachbarlich, zum Unterschied von den ersten Nachkriegsjahren, als die sogenannten Kolonisten in die
Häuser der Deutschen einquartiert wurden. Damals musste mein Vater oft die Folgen der Schlägereien behandeln, insbesondere
abends, nachts und sonntags“.
Ein Privileg für den deutschsprechenden Arzt waren die Aufenthalte, während der Sommermonate am Schwarzen Meer. Hier hat
er dann neue Freundschaften geschlossen, die zum Teil noch heute lebendig sind. Dass seine Patienten zufrieden mit ihm waren,
haben sie eindrucksvoll 1978, am Tag der Ausreise gezeigt. Hunderte Menschen standen Spalier in den Straßen Saderlachs um ihm
einen würdevollen Abschied zu geben.
Der Neuanfang in Deutschland, wie konnte er anders sein, führte die Familie in den Schwarzwald. Nach Erhalt der deutschen
Approbation war der Weg frei eine eigene Praxis zu übernehmen und seine Hausarzttätigkeit zu verwirklichen. Auch hier, im
Kinzigtal, waren seine täglichen Hausbesuche wichtige Beiträge in der Betreuung seiner Patienten. Und auch der alemannische
Dialekt hat den Zugang zu den Patienten sehr erleichtert. Die Tugenden eines guten Hausarztes hat er, in den vierzig Jahren seiner
Tätigkeit, vollkommen ausgefüllt. Bleibt da noch Zeit für Nebentätigkeiten? Sein Einsatz im Organisationskomitee des
Saderlacher Treffens, 1987 in Schluchsee, muss hervorgehoben werden. Er hat uns allen gutgetan! Nach diesen weiteren 28 Jahren
sollte endlich der wohlverdiente Ruhestand in Anspruch genommen werden. Doch „Ruhe“ ist für einen rüstigen Rentner ein
Fremdwort. In seinem jetzigen Wohnort Freiburg gibt es doch unzählige Fachvorträge, Seminare, Veranstaltungen,
Diskussionsrunden, Erfahrungsaustausch aus dem medizinischen Bereich. Wir, seine Landsleute, freuen uns, dass es ihm und seiner
Familie gut geht und wünschen ihm weiterhin ein gesundes und erfülltes Leben. NIT NOHLO!
Mathias Eisele (231), im Juli 2021