Nachruf Jakob Ferch
Nachruf Jakob Ferch, Dipl. Ing. Agronom
* 19.04.1932 Guttenbrunn/Banat – † 04.01.2025 Singen Hildegard Frey, 13.11.1942 *Saderlach/Banat Heidi, 05.10.1967 *Medgidia / Dobrudscha Norbert, 06.06.1971 *Medgidia / Dobrudscha Wir verabschieden uns im Namen der Saderlacher Gemeinschaft von einem liebenswerten, edlen Menschen, dessen Wirken und Streben für unsere Geschichte in der neuen Heimat von großer Bedeutung war. Jakob Ferch wird für seine Tatkraft unvergessen bleiben. Er stammte aus der Gemeinde Guttenbrunn im fernen Banat, doch seine Ehe mit Hilde Frey aus Saderlach, machte ihn zum Mitglied unserer Gemeinschaft, auch wenn der Lebensmittelpunkt der Familie oft in der Dobrudscha lag. Die Lebenswege unserer Generationen sind so stark von den politischen Umwälzungen betroffen, wie es manchen jugendlichen Zeitgenossen der späteren Generationen kaum noch vorstellbar ist. Jakob Ferch wurde am 19. April 1932 in Guttenbrunn als Sohn einer großbäuerlichen Familie geboren. Zur Familie gehörten noch eine ältere und drei jüngere Schwestern. Nach der Grundschule im Dorf setzte er im Alter von 11 Jahren im Herbst 1943 seine Schulzeit an der „Banatia“ in Temeswar fort. Kriegsbedingt wurde der Schulbetrieb im Spätsommer 1944 für ein ganzes Schuljahr eingestellt. Es war ein weiterer großer Einschnitt, dass die Fortsetzung der gymnasialen Ausbildung nur noch an einer rumänischen Schule möglich war und der 13-jährige Jakob mit lediglich rudimentären, im nachbarlichem Umgang angeeigneten jedoch kaum erlernten Sprachkenntnissen, dem Unterricht in rumänischer Sprache folgen musste. Ab Herbst 1945 besuchte er zunächst das Gymnasium in Neuarad, um alsbald an die Unterstufe des CD Loga in Temeswar zu wechseln (1946-1948). Er träumte davon, Tierarzt zu werden und so folgte als nächster Schritt die Technisch-Veterinäre Mittelschule in Temeswar (1948-1952). Unmittelbar nach dem Abschluss der Mittelschule wurde er zum „2-jährigen Militärdienst mit der Schaufel“ eingezogen. Eine gezielte kommunistische Aktion, um die „verwöhnten Kulaken“-Kindern, was vor vor allem die Deutschen betraf, zur tätigen Arbeit zu erziehen. Nach zweijähriger Unterbrechung der Ausbildung konnte er sich dann im Sommer 1954 endlich in Bukarest an der Hochschule für Veterinärmedizin bewerben. Obwohl er die Aufnahmeprüfung bestand, verweigerte man ihm den Studienplatz. Unbeirrt suchte der inzwischen 22-jährige junge Mann einen Ausweg und meldete sich zur Aufnahmeprüfung für Agronomie, Fachrichtung Agrarökonomie an, die er bestand. Trotz seiner aus sozialistischer Sicht „ungesunden Herkunft“ als Kind eines Großbauern „Chiabur“ erhielt er einen Studienplatz. So hatte es hatte sich gelohnt, das Banat zu verlassen und in Bukarest zu studieren. Seine Herkunft sollte ihn jedoch bald wieder vor schier unüberwindbare Herausforderungen stellen. Nach einer anonymen Anzeige wurde er im Zuge der landesweiten sozialistischen Säuberungs-Aktionen von 1958 als sogenanntes "ungesundes Element" von allen Fakultäten des Landes exmatrikuliert. Für den 25-jährigen Studenten folgten aufreibende Monate, in denen er den nahezu aussichtslosen Kampf um die Neuzulassung zum Studium durchfocht, der ihn bis zum Zentralkomitee der Partei brachte. Dass er ab Herbst 1958 zunächst provisorisch wieder zugelassen und die Vorlesungen erneut besuchen durfte, verdankte er sowohl seiner eigenen Hartnäckigkeit als auch der Tatsache, dass in jenen turbulenten Zeiten auch verständnisvolle Menschen an den Machthebeln saßen, die ihn unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit und hinter verschlossenen Türen ermutigten und unterstützten. Sein Staatspraktikum absolvierte er bei der LPG in Cuza Voda bei Medgidia in der Dobrudscha, da er sich sicher war, dass er sich im Banat als Kind eines ehemaligen Großbauern keine Zukunft hätte aufbauen können. Nach erfolgreicher Staatsprüfung im Jahr 1960 entschied er sich, seine berufliche Laufbahn fern der Heimat und nicht am Trust IAS (Landwirtschaftliche Staatswirtschaften) in Temesch, dem er zunächst zugeteilt worden war, aufzunehmen, um vorhersehbaren Problemen aufgrund seiner Herkunft aus dem Weg zu gehen. So begann er seine Arbeit als frischgebackener Agraringenieur in leitender Funktion bei der LPG in Cuza Voda. Ackerbau, Saatgutvermehrung, Gemüse- und Obstanbau sowie Weinbau mit eigener Kellerwirtschaft und Rebveredelung standen im Mittelpunkt seiner Tätigkeit. Der Obst- und Weinbau, die Kellerwirtschaft und die Saatgutvermehrung wurden erst in seiner Wirkungszeit aufgebaut. Ihm unterstanden die Brigaden für Pflanzen-, Gemüse-, Obst- und Weinbau, sowie die für Milchkühe, Rinder und Kälber, Schafe und Kleintiere, Seidenraupen und Bienen. Beruflich konnte er sich auf vielfältige Weise einbringen, er fasste in dem Dorf richtig Fuß und die Menschen dort wuchsen ihm ans Herz. Nach der Heirat und Familiengründung mit Hilde 1967 folgte auch privat eine beglückende Zeit - für Jakob ein erstes erfülltes Dasein nach Jahren der Entbehrungen und Ängste. Jetzt konnte er endlich nach Herzenslust gestalten, dabei entdeckte er nicht zuletzt auch seine Liebe zu den Schnittblumen: Narzissen und Tulpen, Gladiolen, Lilien und Chrysanthemen würden ihn bis ins hohe Alter auch später noch begleiten. So erfüllend seine unmittelbaren Aufgaben und sein Einsatz für die Menschen, für die er Verantwortung trug, waren, so anstrengend und zunehmend aufreibend wurde seine Tätigkeit in der Funktion eines Chefingenieurs vor dem Hintergrund der politischen Verhältnisse. Es gab immer wieder Bestrebungen, ihn wegen der fehlenden Parteizugehörigkeit seines leitenden Postens zu entheben. Trotz seiner beharrlichen und erfolgreichen Weigerung, in die Partei einzutreten, erhielt er des öfteren Angebote, die LPG zu verlassen und einen herausgehobenen Posten anzutreten. Solche Angebote nahm er jedoch nicht an, denn für ihn und seine Frau kam es nicht infrage, Parteimitglied zu werden. Seinen Platz sah er lange Zeit in Cuza- Voda. Die Aufdringlichkeit einflussreicher Leute und der Druck, den sie ausübten, nahm stetig zu und damit auch die Sorge des Familienvaters um seine Frau und seine Kinder. So nutzte Jakob mit seiner Familie 1978 die selten gewährte Möglichkeit, als ganze Familie zu verreisen und blieb in der Bundesrepublik. In Singen schaffte er ein neues Zuhause. Der Neuanfang im Westen war für den Agrarökonomen Jakob, seine Ehefrau Hilde, Gymnasiallehrerin, und die schulpflichtigen Kinder Heidi und Norbert ein gewagtes Unterfangen, das ihr Leben auf den Kopf stellte. Die Aussichten auf eine Einstellung war für beide gering und Jakob sollte erst mit knapp 48 Jahren im Januar 1980 eine Anstellung als Sachgebietsleiter in der pflanzlichen Erzeugung beim Landwirtschaftsamt Bad Säckingen finden. Jakob Ferchs Tätigkeit beim Landwirtschaftsamt Bad Säckingen und später ab 1988 in Waldshut-Tiengen führte ihn als Berater im Südschwarzwald auch in den Hotzenwald. Es ging um die Steigerung der Wirtschaftlichkeit, die Extensivierung und neu Förderprogramme für die Landwirtschaft. Damit konnte man die Menschen erreichen. Jakobs angeborene soziale und offene Umgangsart und sein Fokus auf die bäuerlichen Familienbetriebe bezauberte alsbald auch hier seine Umgebung, so dass seine Tätigkeit auch heute noch nachhallt. Dass er ausgerechnet im Südschwarzwald beruflich wieder Fuß fasste, sollte für die Saderlacher Gemeinschaft ein seltener Glücksfall werden. Wir, die zunehmende Zahl der ehemals im fernen Alemannendorf aufgewachsenen Saderlacher, die nun in Deutschland lebten, träumten immer noch vom Schwarzwald, wie wir ihn aus unseren Träumen und den Bildern aus den Festschriften der 200-Jahrfeier von 1937 kannten. Zur 250-Jahrfeier Saderlachs im Jahr 1987 zog es uns nach Schluchsee, mitten in den Schwarzwald und 450 Saderlacher fanden den Weg zur Festveranstaltung, während noch 435 in Saderlach selbst lebten und nicht dabei sein konnten. Es war ein großes Treffen mit einer Festmesse in der großen Kirche, einem krönenden Trachtenumzug durch den Ort, die Saderlacher - Alt und Jung in Tracht, die Hotzenwälder Vereine alle da, auch die Schweizer aus dem Aartal, einer großen Kundgebung und einer schönen Feier im Festsaal. Doch wir, die es uns sozusagen in die ursprüngliche Heimat gezogen hatte, blieben letztlich nur unter uns. Wir waren zwar liebe (zahlende) Gäste, aber dennoch eher "bestaunte" Fremde mit einem seltsamen Dialekt. Alle sprachen Deutsch, manche auch Dialekt, aber nitt des Alemannisch wie mir , Saderlacherisch halt. Da lockte uns Jakob Ferch mit dem Hotzenwald, den er inzwischen sehr gut kannte und von dem er wusste, dass dort wirklich ein Alemannisch gesprochen wurde, das unserem Saderlacherischen sehr nahe kommt. Wir hatten unseren eigenen Ansprechpartner im Hotzenwald - also in der Region, aus der unsere Vorfahren dereinst ins Banat ausgewandert waren. So fuhren der Vorstand der HOG: Josef Eisele, Hans Burger, Lehrer Franz Mühlbach, Herbert Mühlbach, Lehrer Franz Neff, Mathias Eisele, sowie Dr. Gerhard Weiß, Hans Weiszenberger und weitere Mitstreiter auf eine erste suchende Sondierungsfahrt von einem Bürgermeisteramt zum anderen. Jakob führte uns zu den Ansprechpartnern, kannte hier die richtigen Leute die wir suchten. Zu später Stunde, beim „Adler“ in Görwihl fiel dann die entscheidende Wahl. Lediglich hier gab es einen passend großen Versammlungsraum: die „Hotzenwald Halle“, und da wollten wir uns dann 1991 zum Heimattreffen zusammenfinden. Es wurde eine der freudigsten und herzlichsten Begegnungen im Herzen des Schwarzwaldes. Man hat uns erwartungsfroh empfangen, und wir waren endlich dort, wo wir ja hinwollten, unter den Menschen, die so wie wir sprachen, richtige Alemannen. Jakob Ferch hat uns mit seiner unbeschreiblichen Energie in den umliegenden Dörfern untergebracht: die Eiseles zu Eisele, die Eckerts zu Eckert, die Bruckers zu den Bruckers usw. Man wohnte bei Basen und Vettern, auch wenn hunderte Jahre dazwischen lagen. Die abendlichen gemeinsamen Gesänge in den Gaststuben - damals noch voller einheimischer, neugieriger Jugendlicher –führte zu einer buchstäblichen Verbrüderung in der Fremde. Selbst die Ältesten unter uns wurden in ihre Jugend versetzt, längst versiegt geglaubte Gefühlsregungen brachen auf. Die daraus entstandenen freundschaftlichen Beziehungen führten dazu, dass wir Saderlacher für unser Treffen alle vier Jahre den Weg nach Görwihl finden. Seit nunmehr bald 30 Jahren steht dort auch unser Saderlacher Denkmal. Im Jahr 1995 fand die große, festliche Mahnmal Enthüllung für unsere Heimatgemeinde Saderlach statt, dem einzigen Alemannendorf im Banat, heute Zadareni. Für das Denkmal hat Jakob Ferch mit dem Saderlacher Künstler Hans Hausenstein-Burger und dem einheimischen Steinmetzen Jürgen Peduzzi in den nahen Granitfelsen nach den passenden Rohlingen gesucht und auch kontinuierlich die Arbeitsgänge überprüft. Ohne sein unermüdliches Tun wäre uns die Errichtung des Denkmals nicht zur Wirklichkeit geworden. Das wie, wann und ob einer Stätte des Gedenkens, wäre lange noch fraglich geblieben. Die Gedanken des Künstlers konnten nur mit der bewundernswerten Spendenbereitschaft der damals noch in schweren existenziellen Sorgen lebenden Landsleute und der stetigen Präsenz eines treuen, stets bereitstehenden Helfers vor Ort verwirklicht werden. Unsere schier unerträgliche Wehmut nach der alten Heimat und die Abschiedsschmerzen haben sich in den drei Felsblöcken kristallisiert. Vom 20. bis 21. Juni 2025 kommen wir wieder in Görwihl zusammen, dort haben wir einen Ort gefunden, an dem alte und neue Heimat zusammentreffen. Und wie es der Zufall ergab, der Temeswarer Bürgermeister Dominic Fritz war als Schulbub bei der Einweihung unseres des Denkmals im Trachtenzug dabei, er möchte auch diesmal kommen. Uns alle haben gemeinsame Erlebnisse zusammengeführt. Wenn auch oft über Jahre getrennt, blieben wir als Schicksalsgemeinschaft stetig geistig vereint. Auch wenn man dazu die innere Bereitschaft spüren muss. Die bundesweite Verteilung hatte uns breit zerstreut, das heimelige Dasein war zerstört, es blieb aber stets die innere Bereitschaft zum Gespräch, die oft unerfüllbare Sehnsucht nach dem Wiedersehn. So wurden die Heimattreffen erfunden, zumindest in Sichtweite wollte man das weitere Schicksal der Nachbarn, Klassenkollegen und Freunden miterleben. Wenn auch dies die innere Leere nicht immer erfüllen konnte, denn im Herzen blieb die Sehnsucht nach den Gassen und Fluren, nach Friedhof und Kirche. Ja sogar nach den Gerüchen und dem Staub: nach Blumen, nach Tieren und Menschen mit denen man diese Welt als Kind, Jugendliche oder Erwachsene im Banat erfahren durfte… So blieb jede Begegnung nach Jahren ein besonderes Erlebnis. Ich möchte Jakob auch dafür danken, für seine Zuneigung, seine stets verlässliche Wegbegleitung. Jede Begegnung mit ihm war ein Geschenk des Himmels, auch wenn man mal anderer Meinung sein konnte. Die Landsmannschaft der Banater Schwaben hat, in Würdigung seiner besonderen Verdienste um die entstandene Nähe zum Schwarzwald, Jakob Ferch im Jahre 2000 beim Heimattag in Ulm, den Ehrenbrief verliehen. Er hatte uns würdig in die alte Ur-Heimat zurückgeführt. Bei der Beerdigung in Singen nahmen auch Vertreter der HOG Saderlach teil. Der Vorsitzende Franz Winterhalter aus Tuttlingen dankte ihm für sein zielführendes Schaffen für unsere Gemeinschaft in einprägsamen Worten und bekundete unsere tiefe Trauer der Familie und den anwesenden Trauergästen, Wir trauern mit Euch, liebe Angehörige, und versichern Euch, liebe Hilde, Heidi und Norbert: Jakob lebt in unseren Erinnerungen weiter, wir vermissen ihn, wir werden ihn nicht vergessen. Es wird keinen Ersatzt für ihn geben, denn er war in seiner Art einmalig. Die HOG Saderlach hat einen treuen allseitig geschätzten Mitstreiter verloren. Möge er im Frieden Gottes ruhen! Hans Hausenstein-Burger, für die Alt-Saderlacher, Ehrenvorsitzender der HOG Johann Burger Ballaufstr.29 81735 München Tel: 089-498575 14.03.2025